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Projekt 18: Gubener Wolle - Neisseinsel - Haus Wolf

Brückenschlag über die Neiße

Textilstadt, Kulturstadt, Neißestadt, Grenzstadt, Wilhelm-Pieck-Stadt, Europastadt – Guben-Gubin kennt viele Beinamen und sie spiegeln die wechselvolle Geschichte der Stadt. Mit dem Zusammenwachsen Europas wird wieder ein neues Kapitel in der Stadtchronik geschrieben. Einen Anknüpfungspunkt für eine Revitalisierung der gemeinsamen Stadtmitte und der gesamten Doppelstadt bieten dabei drei herausragende Zeugnisse der gemeinsamen industriellen und kulturellen Vergangenheit: die »Gubener Wolle«, die Neiße-Insel und das »Haus Wolf«.

AUSGANGSSITUATION

Guben blickt auf eine lange Tradition als Zentrum der Textil- und Tuchherstellung zurück, die bis ins 16. Jahrhundert reicht. Im 19. Jahrhundert wurde hier die Textilfabrik Gubener Wolle und die Hutfabrik Wilke gegründet, die noch ein Jahrhundert später in der DDR existierten, als die Stadt den Zusatz Wilhelm-Pieck-Stadt bekam, weil der einstige Mitbegründer der SED aus Guben stammte. Die »Gubener Wolle, Werk I« prägte maßgeblich die Industriegeschichte der Region. Doch seit 1996 standen die Maschinen auf dem etwa 17.000 Quadratmeter großen Gelände still und wurden beseitigt. Fortan waren die riesigen Hallen leer.

Direkt gegenüber der »Gubener Wolle« liegt die Neiße-Insel – sie gehört seit 1945 zu Polen. Bis zum Krieg stand hier ein prächtiges Theater aus dem Jahr 1874, in dem einst Will Quadflieg und Heinrich George gespielt hatten. Vor dem Theater befand sich ein Denkmal für die Sängerin Corona Schröter. Nur noch Fundamente und der Denkmalsockel blieben von dem Theater erhalten. Im Laufe der Jahre verwilderte der umgebende Park.
Auch oberhalb der Insel, am Neißehang, erinnern nur noch wenige Mauerreste an ein architekturhistorisch bedeutsames Gebäude: Hier hatte der spätere Bauhaus-Direktor Ludwig Mies van der Rohe 1927 sein modernes Erstlingswerk errichtet, das »Haus Wolf« für den Gubener Tuchfabrikanten Erich Wolf. Auch dieses war im Krieg stark zerstört worden und die Reste wurden später abgetragen.

Die deutsche Stadt Guben hat seit dem Fall der Mauer mit einem sehr starken Bevölkerungsschwund zu kämpfen: Von 30.000 Einwohnern im Jahr 1990, sank die Zahl auf 25.000 (2000), liegt inzwischen unter 20.000 und nähert sich der Einwohnerzahl Gubins an, die stabil bei rund 18.000 liegt.

PROJEKTVERLAUF

»Gubener Wolle«, Theaterinsel und »Haus Wolf« – die Geschichte und die Substanz der drei Orte in zentraler Lage der Städte Guben und Gubin machen die Einmaligkeit und das Potenzial dieses IBA-Projekts aus.

Damit die »Gubener Wolle« als industriekulturelles Zeugnis der Textilproduktion nicht in Vergessenheit gerät und die hochwertige Qualität der Industrieanlage wahrgenommen werden kann, organisierte die IBA kulturelle Veranstaltungen in der »Gubener Wolle«. In Entwurfsseminaren und Workshops konnten deutsche und polnische Planer gemeinsam mit Verantwortlichen aus Guben und Gubin konkrete Strategien für den Umgang mit der »Wolle« erarbeiten: Zwischen der historischen Altstadt auf polnischer und der Klostervorstadt auf deutscher Seite könnten durch gezielten Rückbau von Teilen der Gebäude Sichtachsen geschaffen werden. Aus dem Freiraum, der durch punktuellen Abriss entstünde, würden die Neißeterrassen geformt. Die verbleibenden Gebäude sollten unterschiedlichsten Formen der Begegnung dienen – von deutsch-polnischen Bildungsangeboten, über Kultur bis hin zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen.

Leider konnte nicht an die kulturellen Zwischennutzungen der IBA angeknüpft und die Nachnutzungspläne nicht umgesetzt werden. Hauptgrund ist die unvermindert starke Abwanderung auf deutscher Seite und das damit verbundene geringe Investoreninteresse.
So wurden größere Teile der »Gubener Wolle« abgerissen als zunächst geplant. Auf Initiative der IBA wurde wenigstens das sogenannte Gebäude D erhalten, dazu eine Lagerhalle und Fabrikantenvilla. Die Neißeterrassen, eine parkartige Freifläche gegenüber der polnischen Neiße-Insel, wurden stattdessen vergrößert und 2007 eine neue Fußgängerbrücke aus Holz geschaffen, sodass die Insel heute die gemeinsame Flussinsel von Deutschen und Polen ist.

Für die Gestaltung der polnischen Neiße-Insel selbst gab die IBA, abgestimmt mit den Städten Guben und Gubin, 2003 eine Planungsstudie in Auftrag. Der Entwurf des Planungsbüros Coqui Malachowska-Coqui schaffte es zwar bis zur Architekturbiennale in Venedig – wurde aber ebenfalls nicht umgesetzt. Heute verfolgen die beiden Städte stattdessen ein »Grüner Pfad« genanntes Konzept, das die Sehenswürdigkeiten beider Städte verbindet. Die entsprechende behutsame Umgestaltung hat begonnen. Integriert ist in dieser Planung auch das Gelände von »Haus Wolf«. Der frühere Bau des deutsch-amerikanischen Architekten stellt ein besonderes Potenzial dar, das nach Vorstellung der IBA aktiviert werden kann. Auf Anregung der IBA hatte das New Yorker Museum of Modern Art 2001 das Gelände vermessen und bei Grabungsarbeiten zahlreiche Exponate gefunden. Die anschließende deutsch-polnische Entwurfswerkstatt zum möglichen Umgang mit dem Gelände hat die IBA 2002 in einer englischsprachigen Publikation dokumentiert. 2006 präsentiert die IBA dann im Rahmen ihres Themenjahres »Europa« am Originalstandort die »Mies Memory Box« – eine mobile Ausstellungsbox, die auf Deutsch und Polnisch über die Geschichte des Hauses informierte und einige der Ausgrabungsfunde präsentierte. Ein Jahr später konnte eine dauerhafte Informationstafel eingeweiht werden.

AUSBLICK

Nach Vorstellungen der Stadt Guben sollen im Erdgeschoss von Haus D hochwertige Gastronomie und Einzelhandel oder Praxen einziehen und die darüber befindlichen Etagen sollten in Loftwohnungen umgewandelt werden. Im Rahmen des Projekts »Grüner Pfad« werden weiterhin ausgewählte Grünzüge im Stadtgebiet aufgewertet. Dazu wird unter anderem auf der Neiße-Insel nach einem Entwurf von Jürgen Mayer ein symbolisches Tor errichtet, das den früheren Eingang des Theaters andeutet. Am Standort von »Haus Wolf« ist ein Aussichtspunkt »Villa Wolf« geplant, in den Teile des Fundaments einbezogen und an dem ergänzende Informationstafeln aufgestellt werden.

Anfahrt

Mit dem Auto zur Gubener Wolle - Neisseinsel - Haus Wolf oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln:

VBB fahrinfo - Link (mit Vorbelegung)
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letzte Änderungen: 26.1.2017 13:13