english

Projekt 2: Besucherbergwerk F60

Liegender Eiffelturm der Lausitz

Mit einem halben Kilometer Länge ist sie das größte Bergbaugerät, das jemals gebaut wurde: die ausrangierte Abraumförderbrücke F60 in Lichterfeld bei Finsterwalde. Einige baugleiche Brücken werden heute noch in den aktiven Tagebauen der Lausitz eingesetzt. In Lichterfeld wurde sie zur Attraktion als »Besucherbergwerk F60« und zum Impulsgeber für die touristische Entwicklung der ganzen Region – aus Tradition wurde Innovation.

AUSGANGSSITUATION

Schon 1870 begann zwischen Finsterwalde und Lauchhammer das Zeitalter der Industrialisierung und des Bergbaus. Zu DDR-Zeiten wurde dann im Tagebau Klettwitz mit dem Braunkohleabbau im ganz großen Stil begonnen. Aus allen Teilen der jungen DDR zogen Menschen in die Region. Rund 10.000 Menschen fanden durch die Braunkohle rund um Klettwitz Arbeit und Tausende fanden hier eine neue Heimat – aber gleichzeitig verloren über 4000 Menschen ihre Heimat durch »Ortsinanspruchnahme«, wie das Abbaggern von Dörfern genannt wurde. Noch kurz vor der Wende 1989/90 verlor Lichterfeld einen Großteil seines Gemeindegebiets, der Ortsteil Bergheide existiert heute nicht mehr.

Immer größer wurden die Bagger und Abraumförderbrücken, die im Laufe der Jahrzehnte im Tagebau Klettwitz und dem später begonnenen Klettwitz-Nord eingesetzt wurden. Am Ende kam eine gigantische, über 500 Meter lange Förderbrücke vom Typ F60 in Richtung Lichterfeld zum Einsatz, die bis zu 60 Meter Abraum über der Kohle verkippte – daher der Name F60. Entwickelt und gebaut wurde sie vom damaligen VEB TAKRAF Lauchhammer und war die letzte Brücke, die in der DDR gebaut wurde. Obwohl schon im Zuge der politischen Wende 1990 der Beschluss für das Ende des Tagebaus gefallen war, nahm die F60 1991 noch übergangsweise den Betrieb auf – und wurde bereits 13 Monate später wieder stillgelegt. Da lag Lichterfeld schon unmittelbar am Rand des Tagebaus.

Den Tagebau übernahm 1994, wie auch die meisten anderen Tagebaue der Region, der bundeseigene Bergbausanierer LMBV. »Sanierung« bedeutete nicht zuletzt: Beseitigung der Bergbaugeräte. Auch die F60 sollte gesprengt werden.

PROJEKTVERLAUF

Ab 1995 diskutierten Kommunalpolitiker die Idee der Senftenberger Planerin Elke Löwe, die F60 zu erhalten. Doch wer sollte den Umbau des Stahlriesen zu einem für Besucher begehbaren Ausflugsziel bezahlen? Wer sollte die F60 touristisch betreiben? Wie sollte die notwendige Unterstützung übergeordneter Behörden organisiert werden? Es gab dazu keine kaufmännischen Aussagen und zu wenig Erfahrung, wie man die Idee konkret umsetzen sollte. Das Projekt hatte zunächst mehr Gegner als Befürworter. 1998 beantwortete ein Gutachten des Deutschen Instituts für Touristische Forschung, Berlin die wichtigsten Fragen und führte in seinen Ergebnissen zu einer weitgehenden Entscheidungssicherheit für den Bürgermeister der Gemeinde Lichterfeld-Schacksdorf sowie den Amtsdirektor des Amtes Kleine Elster. Die wichtigste Voraussetzung für den Kauf der Förderbrücke war damit gegeben, auch wenn es immer noch Zweifler gab.

Aus heutiger Sicht war es außerdem ein glücklicher Zufall, dass genau zu dieser Zeit die Landesregierung beschlossen hatte, eine Internationale Bauausstellung in der Lausitz zu unterstützen. So gab es einen gewissen Druck, möglichst schnell vorzeigbare Erfolge präsentieren zu können. Unterstützt von der IBA und von vielen engagierten Akteuren aus der Region wurde somit die Förderbrücke vor der Sprengung bewahrt. Mit Gründung des Fördervereins F60 im Frühjahr 2001 bekam die erforderliche Betreiberstruktur schnell Konturen. Zahlreiche Umbauten und Sicherungsmaßnahmen seitens der LMBV ermöglichten, dass die Brücke schließlich im Mai 2002 ihrer neuen Bestimmung als Besucherbergwerk übergeben und von der Gemeinde Lichterfeld-Schacksdorf in eigener Regie übernommen werden konnte. Der Förderverein und die F60 Concept GmbH kümmern sich seither um Betreibung und Vermarktung.

Die IBA unterstützt die beiden Betreiber insbesondere bei der Vermarktung des Besucherbergwerks und schafft Öffentlichkeit. Eher zufällig war auch das heute geflügelte Wort vom »Liegenden Eiffelturm der Lausitz« entstanden: IBA-Geschäftsführer Prof. Rolf Kuhn verglich 1998 in einem Zeitungsinterview die F60 mit dem Pariser Wahrzeichen, das ursprünglich nur für die Dauer der Weltausstellung 1889 errichtet worden war, dann aber stehen blieb und zur Touristenattraktion wurde; so könne auch die F60 Wahrzeichen und Besuchermagnet der Lausitz werden.

Und tatsächlich: Gleich im ersten Jahr besuchen über 70.000 Gäste die F60 und zeigten: Das Konzept geht auf! Doch dies war erst der Anfang. Um die F60 noch attraktiver zu machen, zog die IBA den Lichtkünstler Hans Peter Kuhn hinzu, der die F60 als einzigartiges Licht-Klang-Kunstwerk für die dunklen Abendstunden inszenierte. Der damalige Bundespräsident Johannes Rau weihte die Installation ein und die beleuchtete F60 ging durch die Medien – und wurde so etwas wie das Symbolbild für die IBA und den Strukturwandel.

Um diesen verständlich zu machen und die regionale Bergbaugeschichte in ihrer Gesamtheit zu vermitteln, zog in einem modernisierten Werkstattwagen neben der F60 ein Besucher- und Informationszentrum mit Gastronomie ein. Das gleiche Ziel verfolgt auch die Vernetzung der F60 mit anderen Standorten der Industriekultur wie dem Erlebnis-Kraftwerk Plessa, den Biotürmen oder der Brikettfabrik Louisezum IBA-Projekt »ENERGIE-Route Lausitzer Industriekultur«.

Nach und nach wird auch das unmittelbare Umfeld der F60 weiter gestaltet: Parkplätze und ein Eingangsgebäude sind entstanden. Ein studentischer Workshop von BTU Cottbus und IBA ergab innovative Ideen für die weitere Gestaltung des Umfeldes. Das Planungsbüro von Elke Löwe hat diese Ideen in die Konzeption mit einbezogen. So entstand auch eine terrassenartige Freiluftbühne am Fuß der F60. Im Sommer finden vor der beeindruckenden Kulisse vielfältige Kulturveranstaltungen statt vom Rockfestival über das Techno-Spektakel bis zur Opernaufführung. Bis 2010 haben bereits weit über ein halbe Millionen Menschen die F60 besucht – ein Erfolg über den sich alle Beteiligten gemeinsam freuen dürfen.
In kurzer Zeit wurden rund 20 Arbeitsplätze und zwei Ausbildungsplätze geschaffen. Junge Lausitzer werden nun am alten Bergbaugerät zu Freizeit- und Tourismuskaufleuten ausgebildet.

AUSBLICK

Der Bebauungsplan von 2009 bezieht auch den 330 Hektar großen Bergheider See mit ein, der seit Flutungsbeginn 2001 im früheren Tagebau entsteht und nach dem früheren Ort Bergheide benannt wurde. Der Plan sieht Badestrände, Bootsanleger, Ferienwohnungen und einen Campingplatz vor – und sogar ein schwimmendes Erlebnis- und Eventzentrum. Das Interesse von Projektentwicklern an dem attraktiven und bekannten Standort mit seinem Markenzeichen F60 ist groß. Steht das Besucherbergwerk F60 derzeit noch alleine inmitten einer unwirklichen Mondlandschaft, wird es in wenigen Jahren nur eine – wenn auch in jeder Hinsicht besonders große – Attraktion von mehreren sein, die Einwohner und Touristen am Bergheider See vorfinden. Die F60 wird dann die einzigartige Kulisse für einen lebhaften Urlaubsstandort bilden, zu dessen innovativen Besonderheiten auch seine energetische Autarkie gehören wird: Der Standort, der aus einer zerstörten Bergbaulandschaft entstanden ist, wird sich aus regenerativen Energiequellen überwiegend selbst versorgen.
www.f60.de

Öffnungszeiten

ganzjährig geöffnet,
16. März - 31. Okt: 10-18 Uhr
1. Nov - 15. März: 11-16 Uhr, Mittwoch bis Sonntag

Preise

Tagesführung: 8/7/4 €
Nachtlichtführung: 8/7 €
nur Infocenter: 1,50 €

Adresse

Besucherbergwerk F60
Bergheider Straße 4
03238 Lichterfeld

Unser Partner

Förderverein Besucherbergwerk F60

Anfahrt

Mit dem Auto zum Besucherbergwerk F60 oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln:

VBB fahrinfo - Link (mit Vorbelegung)
zurück

letzte Änderungen: 26.1.2017 13:13